Die Träume sind Vergangenheit. Der neue Tag bricht an, zusammen mit dem Vorhaben möglichst viel vom unbekannten Land kennenzulernen. Wie jede unserer Reise, fängt auch dieses erst mit dem Verlassen der Ankunftsstadt Richtung erstem Dorf an. Ohne viele Worte auszutauschen, begeben wir uns zur dritt auf diese Reise. Wir verabschieden uns von Sofia, die uns mit dem Morgenverkehr noch zuflüstert:” Reisende, lernt schnell mit dem umzugehen, was immer ihr auf euren Weg vorzufinden mögt.”
Wir fahren durch kleine Dörfer und hören bulgarische Musik, fast schon ein Kitsch, wenn wir nicht unsere Freundin hätten die uns die Lieder empfiehlt. Sie singt sehr laut, damit sie dem Auto Leben einhaucht. Wir reisen! Wir sind frei! Ist bloß so wenig notwendig um frei zu sein? Hätte mir einer vorher das gesagt, hätte ich ihm ausgelacht.
Auf dem Weg zum Rila Kloster! Das Ort, an dem Mönch Iwan Rilski, vor mehr als tausend Jahren, das Einsiedlerleben für sich bestimmt hat, das Gegenpol zum Reisenden. Beide extreme Lebensweisen. Trotz großer Unterschiede, eine Schwäche lässt sie ähnlich wirken: Die Unfähigkeit sich zu trennen von Sehnsucht und Erwartung, doch wo Schwäche, da auch Stärke. „Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft kommt in Schwachheit zur Vollendung. Sehr gerne will ich mich nun vielmehr meiner Schwachheiten rühmen …“ (2 Kor 12,12). Das waren die Wörter, die Iwan in den kalten Einsiedlernächten Trost spendeten. Voller Erwartung freuen wir uns auf diesen Ort, dem sein Ruf schon vor eilt. UNESCO Kulturerbe! Ein Ort an dem ich mit Iwan sprechen werde.
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Demütig und reuig, gingst du alleine unter den wilden Tieren, den Himmel als Dach, die Erde als Bett und die Kräuter als Essen zu empfangen. Ohne etwas Gutes auf Erden getan zu haben, fragtest du dich, Iwan: Was solltest du zu all dem, was von sich aus gegeben ist, noch beitragen? Mit der Einsicht, dass dein Leben ein Ende finden müsste, mit der Verzweiflung gegenüber deiner Vergänglichkeit, doch mit gutem Willen, wie ein fleischlicher Vater, wolltest du deinen Nachkommen etwas Wertvolles hinterlassen. Doch da du weder Silber noch Gold liebtest, blieb dir nur mehr das Wort, um ihre Lebensweise zu bestimmen.
Trotz dein Zweifel an die Zukunft deiner Kinder, die das wahre Mönchsleben noch nicht kannten, hast du mit festen Glaube, an deinen Gott, dein grobes Testament hinterlassen. Denn die Kinder der Vereinsamten sind mehr als die Kinder der Verheirateten. Aus Angst hast du sie gemahnt, zusammen zu bleiben und deine Worte zu folgen. Sich untereinander zu bestrafen, sollten sie sie nicht beachten. Du gabst ihnen die Verpflichtung, deine Worte vor falschen Lehren und Pfaden zu bewahren.
Nichts hast du mehr verhasst als den Weg des Geldes. Selbst den König wolltest du nicht treffen, aus Angst sein Reichtum würde dich anstecken. Noch Gold, noch Silber, noch Münzen wolltest du dir anschaffen, denn die Frage `Wozu?` konntest du dir nicht beantworten. Du wolltest nicht von irdischen Königen und Fürsten geliebt werden, denn du verfluchtest den Mann, der das Fleisch zu seinem Instrument missbraucht.
Du hast dein Weg alleine eingeschlagen, bist ihm gegangen und bist gefallen. Nicht viele können sich alleine aufrichten und dennoch nicht aufhören nach der ausgestreckten Hand zu hoffen. Der Gedanke an die Gemeinschaft ließest du nicht los. Du vertrautest darauf, dass deine Kinder, dass erreichen werden, wovon du dich abwandest: Trost im Zusammenleben.
Doch wenn sie gemeinsam leben sollten, dann nur im Frieden miteinander. Du gabest ihnen das höchste gemeinschaftliche Gut, Gott, in ihrer Obhut. Sie sollten die zarte Blume pflegen, damit sie keine Wurzel der Bitterkeit bilde und vielen von ihnen vergiefte. Wie die Gemeinschaft sich sonst versorgen sollte, darüber verlierst du nicht viele Worte. Du riefst sie auf, vom Einsiedler bis zum Patriarchen, alle dabei Hand anzulegen. Die gemeinnützigen Arbeiten soll ihre Nahrung werden?
Dein Testament wirft viele Fragen. Entstand das Kloster aus deinem Wunsch oder aus dem Ehrgeiz deren, die sich um dich versammelten, um von dir Segen zu erlangen? Was ist daraus geworden? Ein Heim oder ein Zufluchtsort? Was ist das Geheimnis, deiner Zeilen im Bezug auf Fremden. Du empfiehlst deinen Nachfolgern jeden Fremden mit Gastfreundschaft zu begegnen, aber seine Bräuche als höchst verwerflich zu empfinden? Sind deine Worte während der langen Zeit verdorben worden? Hat sie dir jemand zugeschoben? Was sollten deine Kinder aus dem Zwiespalt entnehmen? Wie sollen sie sich nach ihm richten ohne als Instrument zu wirken?
Zum Schluß sollte doch besser jeder ein Einsiedler werden? Dem Geist sich überlassen, die eigene Weisheit und Vernunft zu erleuchten, sich selbst in guten Taten lehren, und sich selbst die Antworten geben, denn es ist immer noch zu wenig Gutes auf dem Erden. Lebewohl Iwan, wir treffen uns vielleicht auf Antarktika wieder, denn dort sollte ein kleines Heim zur deiner Andacht gebaut worden sein.
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Das war meine Begegnung mit Iwan im Kloster Rila. Ich habe Dir davon geschrieben, denn an diesem Ort ist nicht nur Iwan’s Wort, sondern auch die Klostermalerei und die kleine Kunstwerke von seltener Bedeutung.